Zunächst eine These zu Aufbruch der Kulturen: Es ist das beste Wegebau-Siedler aller Zeiten! Eine steile These für romantisierte Siedler 2 Spieler, aber durchaus zu begründen. Beamen wir uns zurück ins Jahr 1998. Es ist das Jahr in dem Siedler III erschien. Hätte zu diesem Zeitpunkt Aufbruch der Kulturen als dritter Siedler-Teil das Licht der Welt erblickt, dann natürlich noch in 2D, und wäre es somit direkter Nachfolger von Siedler II Veni Vidi Vici geworden, niemand hätte sich beschwert. Im Gegenteil hätte man durchaus Aufbruch der Kulturen als veritablen Nachfolger von Siedler 2 angesehen so wie Siedler IV auch Nachfolger von Siedler III war. Es ist anders gekommen und dass Siedler 3 genau zum richtigen Zeitpunkt kam beweist die Beliebtheit des Spiels bis heute und ich möchte Siedler 3 gar nicht klein reden.

Denn was ich damit sagen will: Siedler IV sagt man auch nicht nach dass es nur ein billiger Abklatsch von Siedler III ist (zumindest nicht viele), die Methodik ist aber exakt dieselbe wie von Siedler 2 DnG zu Aufbruch der Kulturen. Ein geschätztes und beliebtes Spielprinzip wurde noch mal im Detail aufgebohrt und an vielen Stellschrauben verbessert und erweitert. Siedler IV galt und gilt als veritabler Nachfolger von Siedler 3. Genau das ist Siedler – Aufbruch der Kulturen in meinen Augen von Siedler 2: der rechtmäßige Thronfolger. Nun sitzt Siedler 2 aber noch immer auf dem Thron der Wegebau-Siedlerei wie die Queen in England. Prinz Charles Aufbruch der Kulturen hatte zu keinem Zeitpunkt die Chance sich zu beweisen und das begründet sich durch eine Vielzahl falscher Entscheidungen, von denen die Wenigsten wirklich mit der Spieleentwicklung und dem Spiel selbst zusammenhingen.

1/4 der erwartbaren Verkäufe sprechen für sich?

Als Aufbruch der Kulturen 2008 erschien machte nichts den Eindruck als hielte man damit den Nachfolger von Siedler 2 in der Hand. Schon auf dem Cover zielt der Hinweis „Basiert auf dem Regelwerk von Siedler II“ genau darauf ab dass man hier einen warmen Aufguss von Die nächste Generation in Händen hielte der nur mit ein wenig anderer Grafik und Lobby-Schi-Schi das selbe Spiel nochmal zu verkaufen versucht. Es wirkte mehr als verkaufe man in der Traditions-Edition immer dasselbe neu. Entsprechend zurückhaltend (1/4 lt. Wikipedia) waren auch die Verkäufe und es war auch genau das, was man häufig lesen konnte. Das ist doch nur ein Add-On zum Vollpreis oder Andere machen sowas mit einem Patch. Beides ist unwahr wenn man sich wirklich intensiv mit Aufbruch der Kulturen auseinandersetzt. Würde man so argumentieren ist Siedler 2 auch nur ein Add-On von Siedler 1 oder Siedler IV nur ein Add-On von Siedler III. Ich kann allerdings diese Argumentation trotzdem nachvollziehen denn auch ich habe mit genau diesem Gedanken Aufbruch der Kulturen gekauft denn alles was man bisher so erfuhr ließ kaum einen anderen Schluss zu. „Noch ein Siedler 2“ eben. Und doch sind die vergleichsweise geringen Verkäufe keinesfalls ein Indiz für ein schlechtes Spiel, genauso wie die bestverkauften Dinge selten auch die qualitativ Besten sind.

Kopierschutz und andere Fehler

Dann war da der Kopierschutz und andere Fehler wie der Invalid Call Bug. Außerdem traf mich zu diesem Zeitpunkt auch noch das „Shader Problem 2.0″. Das Spiel war technisch gar nicht mehr so richtig für die eigentliche Zielgruppe ausgelegt. Jene Zielgruppe, die auch Siedler 1 oder 2 gespielt hat, die das Spielprinzip des Wegebau-Siedlers verinnerlicht und ihren strategischen Spielwitz kennt. Eine Zielgruppe die längst den Jugendzimmern entwachsen ist und aufgemotzte / gemoddete Stromfresser gegen schlanke Notebooks ersetzt hat die man bequem im Schrank verstauen kann um nicht die weibliche Definition eines perfekten Wohnzimmers zu gefährden. So erging es auch mir, auf dem Notebook war Aufbruch der Kulturen nicht zu spielen, markiert durch den ersten vieler lapidarer Hinweise deren Tragweite unterschätzt wurde:“Grafikkarten von Laptops werden nicht unterstützt„.

Nun hatte ich im Büro dankenswerterweise noch so einen hochgezüchteten Stromfresser. Doch auch dort war das Spielen nicht möglich. Invalid Call hieß der Fehler der die Nerven raubte wenn  denn überhaupt der Kopierschutz einen ins Spiel gelassen hatte und nicht schon vorher die legale, gekaufte DVD nicht erkannt worden wäre.

Das unfertige Multiplayer-Spiel

Schon aus den Spielezeitschriften kam Argwohn wie man denn ein Spiel mit Multiplayer-Part ohne LAN Möglichkeit auf den Markt wirft. Ubisoft fichte das natürlich nicht wesentlich an und der damals schon gedachte worst-case dass dieses Spiel nutzlos wird wenn die Server mal abgeschaltet werden kam früher als erwartet. Warum Aufbruch der Kulturen als klassisches Multiplayer-Spiel (Die Kampagne bzw. Opferungsorgie ist ja nun wirklich nur ein Alibi) über keinen LAN Modus verfügt, was es heute unmöglich macht das Spiel gegeneinander zu spielen, darüber kann man nur mutmaßen. Es stärkt bei mir aber den Eindruck als wäre ein gesetztes Ablieferungsdatum wichtiger als ein tatsächliches Fertigstellungsdatum. „When it’s done…“ scheint keine französische Tugend und das Problem unfertiger Software bzw. am Kunden vorbeigeplanter politischer Entscheidungen zieht sich seit Siedler IV wie ein roter Faden durch die Serie. Ich möchte gar nicht von der History-Edition anfangen… Wäre man tatsächlich am Interesse des Kunden interessiert, ein nachträglicher Patch hätte alle Probleme gelöst und man könnte auch heute noch im Multiplayer AdK gegeneinander spielen. Stattdessen behielt man seine „Tugend“ bei und hat so, „always-on“, auch noch Siedler 7 schön in den Sand gesetzt. Es markierte dann auch für mich das erste Mal einen „Jetzt reicht’s“ Effekt und das Spiel wurde nicht zum Release zum Vollpreis gekauft.

Ein ungünstiger Zeitpunkt

Mich, obwohl ich schon aus Sammlergründen direkt zugeschlagen habe, brachte dann auch wenig dazu mich mit Aufbruch der Kulturen auseinander zu setzen. Technische Probleme und generell unter dem Radar lag es halt einfach nur rum. Ungünstig für Aufbruch der Kulturen war nämlich außerdem noch das Release von Siedler II für den Nintendo DS zuvor, welches tatsächlich nur ein aufgewärmtes Siedler II war und nicht mal vernünftig funktionierte (wie kann man sowas ernsthaft bewerben und verkaufen?). Erneut hatte man bei einer Siedler-Veröffentlichung den Eindruck als wäre das Spiel unter Ablieferungsdruck unfertig auf den Markt geworfen worden. Dann gab es auch noch Aufstieg eines Königreichs bzw. das Add-On im selben Zeitraum. Das war insgesamt ein bisschen viel Siedler für den Zeitraum von etwas über einem Jahr. Aufbruch der Kulturen als „Add-On mit Vollpreis“ fiel in der Wahrnehmung verständlicherweise deutlich ab.

Wo zum Geier ist der Editor?

Jedes Online-Spiel, welches auch nur ein paar Jahre überleben will, braucht einen gescheiten Editor mit denen die Community selbst Inhalte erstellen kann. Auch hier patzt Aufbruch der Kulturen grandios. Kein Editor, keine Community, keine Spiele, kein Interesse. Es bedarf schon einer gewissen Chuzpe ein Spiel so schlecht geplant auf den Markt zu werfen dass einem die Entwickler wirklich leid tun können. Um noch einen lapidaren Hinweis hierzu einzustreuen:“Ein Editor ist nicht geplant„.

Die Firmenpolitik und der Umgang mit dem Kunden heute

Da kommen wir noch mal auf den Kopierschutz zu sprechen. Ich erinnere mich gut daran als Windows XP kam und Siedler 3 die erste Zeit einfach nicht zum Laufen zu bringen war. Lapidarer Hinweis damals:“Windows XP wird nicht unterstützt„. Erst die EXE der Gold Edition auf der Platin-Veröffentlichung brachte Abhilfe und niemand wusste so recht warum da sie mit der normalen Gold-Edition identisch sein sollte – sie es aber offensichtich nicht war. Doch diese EXE war lange nur eine Lösung „unter der Hand“ denn es dauerte ewig bis man diese Erkenntnis auch offiziell als Patch für Windows XP angeboten hat. Siedler 3 wäre heute mausetot ohne die EXE der Platin Edition. Ähnliches erlebt man bei Aufbruch der Kulturen. Man könnte den Spielern, die doch noch immer gerne Aufbruch der Kulturen spielen möchten, ganz einfach weiterhelfen: In verschiedenen PC Zeitschriften ist Aufbruch der Kulturen schon vor Jahren als Beilage erschienen – ohne Kopierschutz. Diese Versionen lassen sich problemlos auch auf Windows 7-10 installieren und spielen. Die lapidare Antwort von Ubisoft zum Thema No-CD Patch bzw. kopierschutzfreie EXE (Microsoft selbst hat dem Kopierschutz das Vertrauen entzogen – auch das hat gute Gründe!) die ja bereits existiert und nur freigegeben werden muss: Es ist nichts geplant.

Warum ich mich jetzt dennoch Aufbruch der Kulturen widme

Kurz: Weil es, wie ich oben schrieb, für mich das beste Wegebau-Siedler aller Zeiten ist.

Siedler – Aufbruch der Kulturen wäre heute problemlos auch auf Windows 10 spielbar und hätte vermutlich noch immer eine Community, wenn

• man es vernünftig als das vermarktet hätte was es ist: Der Nachfolger von Siedler 2!
• man einen Editor mitgeliefert hätte um selbst Karten zu erstellen!
• man keine Root-Kits getarnt als Kopierschutz mit auf den Rohling gepresst hätte!
• man zu diesem Zeitpunkt nicht ständig „irgendwas mit Siedler“ auf den Markt geworfen hätte!
• man einen vernünftigen Online und LAN Modus implementiert hätte!

Ein Spiel, welches als der grandiose Nachfolger von Siedler 2 hätte gefeiert werden können, wenn man den Rest so liebevoll und sorgfältig gemacht hätte wie das Spiel selbst. Denn es ist nicht einfach nur ein Add-On von Die nächste Generation bzw. Siedler 2 sondern eine ideenreiche Weiterentwicklung. Man kann sich darüber streiten ob die Vereinfachungen im Spiel (nur noch ein Werkzeug z.B.) wirklich zielführend sind. Die gleichzeitigen wirtschaftlichen wie militärischen Erweiterungen gepaart mit einer endlich funktionierenden Schifffahrt sind es aber allemal!

Ich jedenfalls möchte versuchen, jetzt wo der Kopierschutz von Siedler AdK mich plötzlich ins Spiel lässt, die Siedlercommunity mit dem wohl unterschätztesten Siedler weiter zu komplettieren. Auf Windows 7, klar, Windows 10 wird ja, obwohl einfach möglich, nicht unterstützt – was aber niemanden davon abhält das jetzt im Vorweihnachtsgeschäft auffällig in Softwarepyramiden weiter zu verkaufen. Der fehlende Editor macht es allerdings schwierig wirkliche Testszenarien zu bauen um den Siedlern auf den Zahn zu fühlen. Aber wenn es einfach wäre macht es ja auch keinen Spaß.